Lieber Leser,
die
Dokumentationsseiten zur Geschichte des Drachenflugs stammen aus dem Jahr 1999
und sollen in ihren
Originalfassungen erhalten bleiben. Teil 1,
Teil 2, Teil 3 , Teil 4
Autor:
Prof.Michael Schönherr, St.-Jakobus-Str.28, 55442 Stromberg info@m-schoenherr.de
Originalfassung von
1999 Teil 4 :
25 Jahre
Drachenflug, Teil 4
Aus dem Archiv von Michael Schönherr mech@net-art.de
|
Ali Schmid lernte ich im
November 1974 kennen, er hatte gerade sein Studium der Luftfahrttechnik
begonnen und war gleichzeitig Mitarbeiter der Fa. Knuth, welche 1974/75 die
höchsten Umsatzzahlen mit Standard- Rogallos erzielte. In den Folgejahren
wurde er selbst Firmeninhaber und blieb der Hängegleiterpionier, dem das
persönliche und praktische Ausforschen und Hinausschieben der Gerätegrenzen
über alles ging. Meine Anliegen waren ähnlich gelagert und als Ali den ersten
Meßwagen fertig hatte und ich meine theoretischen Arbeiten und Computerprogramme
dazu umschrieb, da ergab sich die ideale Ergänzung, die mit Kofler zusammen
zur Schaffung des Gütesiegels führen sollte. Daneben gab es aber auch bei uns
und andernorts die ständige Suche nach neuen Flugformen. Der Rogalloflügel
hatte gezeigt, wie mit Alu-Stangen, Tuch und Seilen fast jeder in der
Heimwerkstatt für wenig Geld neuartige Flügelformen schaffen und fast überall
draußen erproben konnte. Dieses Gefühl wurde etwa zwischen 1975 und 1985 zum
Katalysator für verschiedenste flexible, starre, und halbstarre
Neuentwicklungen. Nachfolgend möchte ich auf die "Enten" eingehen, welche die Flugpioniere schon immer beflügelt haben und von denen auch wir neben der Gütesiegelarbeit in dieser Zeit gepackt waren. |
|
Wichtige Meilensteine der Luftfahrt
sind von "Enten" gesetzt worden. Man denke nur an den ersten
Motorflug der Gebrüder Wright 1903, an die ersten gelungenen Muskelkraftflüge
mit MacCreadys Gossamer Condor (1977) oder an die bis heute nicht mehr
erreichte Nonstopumrundung der Erde in 9 Tagen mit dem Voyager des Dick Rutan
1986. In Europa gehören auch die starren Entenkonstruktionen des Hans Farner
und Albert Neukom zu den Pionierleistungen dieser Zeit. Hierauf und auf
vieles mehr wird unter "starre Hochleistungs-Leichbauenten" detaillierter eingegangen.
|
|
Mit den Rogalloflügeln wurde auch das Abspannseil wiederentdeckt: Es gestattet immer noch extremsten Leichtbau und ermöglichte die ersten brauchbaren Muskelkraf-Flieger - als vielfach abgespannte Enten. Aber auch Segler und UL´s wurden als halbstarre Enten ausgeführt, immer mit dem Ziel das Leichtgewicht und die Zerlegbarkeit der Flexiblen mit dem Leistungsvorteil der Starren zu verknüpfen. Hier geht´s zu den "ultraleichten halbstarren Enten" |
|
Die ersten großen Flieger auf der Welt waren die Flugsauriere. Bei meiner Forschung nach einer Verbesserung der Rogalloflügel entstand ab etwa 1975 die "Drachenente", die nach Modellversuchen schließlich in Großversion mit Ali Schmid zusammen gebaut wurde und erste Freiflüge absolvierte (Bild links). Hier die Geschichte der "Drachenente" mit dem Saurierflügel |
|
|
Oben: versteinerter Flugsaurierflügel aus der Bayerischen Staatssammlung für Paläontologie und historische Geologie, München |
|
Zu den schlimmsten Fehlentwicklungen gehörten 1982 die "ultraleichten Pseudo-Enten". An ein Nurflügel-UL wurde eine Frontfläche angebracht, um die problematische Gewichtskraftsteuerung der Nickachse zu umgehen. Tatsächlich entstand daraus ein höchst gefährliches Gerät, welches unter Umgehung der Meßwagentests aufgrund eines mathematischen Gutachtens das Gütesiegel erhalten hatte. Das Foto links (Höhenruderanlenkung noch nicht eingebaut) verdeutlicht die geringe Schränkung des Hauptflügels und den geringen maximalen Höhenausschlag des Vorflügels. Beides zusammen führte zu irreversibler Tuckneigung ab höherer Geschwindigkeit und zu spektakulären Unfällen. |
|
|
Glückliche Tage im Sommer 1982 in der
Werkstatt von Ali Schmid in Donzdorf. V.r.n.l: Karl Nickel, der mit Ali zusammen seinen "Falter" entwickelt hatte; Ali; Suse, die frisch angetraute Frau von Ali und Seele der Firma; Moritz, der kleinste Schönherr |
Mein letztes Bild von Ali, ca.
10.September 1982. Als Ali am 15.9.82 tödlich abstürzte, verfaßte ich zu den Umständen am selben Tag noch ein Gedächtnisprotokoll |
|
|
|
Ohne Ali gäbe es kein
"Gütesiegel" in der heutigen Form, denn was wäre es ohne die privat
von ihm entwickelten Meßfahrzeuge geworden? Auch der Begriff "Gütesiegel"
stammt von ihm, er dachte aber an ein Gütezeichen auf freiwilliger Basis - so
wie es auch jahrelang bestand und seinen Erfolg begründete. Wenig bekannt
ist, daß er noch kurz vor seinem Tod alle seine Ämter im DHV zur Verfügung
gestellt hat. Ich erinnere mich gut, wie betroffen ihn ständiger Hickhack und
Demontage- versuche gemacht hatten. Sein Eigentum, den bis heute eingesetzten
Festigkeits-Meßwagen stellte er weiterhin als Serviceleistung bereit. Das
Gütesiegel war zum Laufen gebracht, das Feld war bestellt. Albrecht Schmid hat im deutschen Luftsport Fluggeschichte geschrieben. |
Ali zum letztenmal am Meßwagen |
|
1984
wurde vom DHV auf Bitten von Karl Nickel die Ali-Schmid - Gedächtnis -
Medaille geschaffen. Lilienthals letzte Worte "Opfer müssen gebracht
werden" wurde abgewandelt zu "Opfer
sollen vermieden werden" Ob die Botschaft bei allen Beteiligten angekommen ist? |
|